Lyrikerin, Musikerin, Schriftstellerin, Fotografin, Malerin und Aktivistin – seit ihren künstlerischen Anfängen in den 1970er Jahren begeistert Patti Smith über Generationen hinweg. Songs wie «Gloria», «Because the Night», «Ghost dance», «Dancing barefoot» oder «People Have The Power» sind zu Klassikern geworden.
Von Urs Musfeld
Berühmt wurde Patti Smith durch ihre einzigartige Weise, Rock’n’Roll und Dichtung miteinander zu verschmelzen. Ihr Debut-Album «Horses» von 1975 mit einem Coverfoto von Robert Mapplethorpe, ihre erste Liebe und bis zu seinem Tod ein guter Freund, schrieb Musikgeschichte und legte den Grundstein für die aufkommende Punk-Bewegung.
Beeinflusst von frühen Poeten wie Arthur Rimbaud und William Blake und inspiriert von Musikern wie Bob Dylan, Jimi Hendrix und Keith Richards, wollte Smith Rock’n’Roll als Kunstformwiederbeleben. Lieder sind nicht einfach nur Lieder – Worte sollen direkt ins Herz greifen, provozieren, zur Aktion antreiben, kein blosser Konsum mehr sein.
Feministische Performerin
«Ich habe immer vor allem Texte geschrieben,Songtexte, Gedichte, Texte eben. Ich bin keine Musikerin. Ich beherrsche keineInstrumente, bin nicht als Musikerin ausgebildet. Ich singe, ich habe ein gutes Gehör. Ich bineine Performerin, aber keine Musikerin», erklärte Patti Smith in einemInterview. Ihr bewusst androgynesAuftreten und ihre starke Präsenz in einer männerdominierten Musikkulturmachten Patti Smith zu einer wichtigen Figur für die Frauenbewegung.
Während der Aufnahmen zu ihrem dritten Album «Easter» (1978)arbeitete Bruce Springsteen im gleichen Studio an seiner LP «Darkness On TheEdge Of Town». Weil er nicht noch ein Liebeslied unterbringen wollte, überliesser den ursprünglich geplanten Song «Because the night» Patti Smith, da er ihreStimme als perfekt dafür erachtete.
Springsteen liess ihr eine Aufnahme der unvollendeten Version zukommen. Auf dem Band waren eine teilweise gesummteMelodie und der Refrain zu hören. Noch gab es keinen Text, nur die spätereHookline «Becausethe night» tauchte an einzelnen Stellenbereits auf. Ohne dass Springsteen verlangt hätte, diese Zeile beizubehalten,fand Smith Gefallen an der Stimmung und vervollständigte den Song mit weiterenLyrics für die Strophen.
Sie hörte das Demo-Band erstmals während einer Nacht, in der sie auf denAnruf ihres damaligen Geliebten und späteren Ehemanns, Fred «Sonic»Smith wartete. Dieser meldete sich erst um zwei Uhr morgens.
Sehnsuchtsvolle Erwartung
Der Text soll ihr nach eigener Aussage auf Anhieb eingefallen sein.
Have I doubt, baby, when I’m alone
Love is a ring on the telephone
Love is an angel, disguised as lust
Here in our bed ’til the morning comes
(Habe ich Zweifel, wenn ich allein bin
Liebe ist das Klingeln, das Telefon
Liebe ist ein Engel, als Lust verkleidet
Hier in unserem Bett bis der Morgen kommt)
With love we sleep
With doubt the vicious circle
Turns and burns
Without you I cannot live
Forgive, the yearning burning
I believe it’s time, too real to feel
So touch me now, touch me now, touch me now
(Mit Liebe schlafen wir
Mit Zweifel dreht sich
der Teufelkreis und verbrennt
Ohne dich kann ich nicht leben
Vergib mir, das sehnsüchtige Brennen
Ich glaube es ist Zeit, zu real, um zu fühlen)
Der Protagonist wirdanrufen und die sehsuchtvolle Erwartung verwandelt sich in sexuelle Erregung:
Because the night belongs to lovers
Because the night belongs to lust
Because the night belongs to lovers
Because the night belongs to us
(Weil die Nacht den Liebenden gehört
Weil die Nacht der Lust gehört
Weil die Nacht den Liebenden gehört
Weil die Nacht uns gehört)
Nach der Veröffentlichung von «Easter» am 3. März 1978 wurde die Single-Auskopplug «Because the night» ihr weltweit grösster kommerzieller Erfolg. Springsteens eigene Version erschien später auf seinem Album «Live 1975–1985».
Immer noch frisch auf Tour
Neben bislang elf Studio-Alben hat sich die heute 73-jährige Patti Smith längst auch als Autorin feinsinniger Beobachtungen, Erinnerungen und Reflexionen etabliert. «Just Kids» (2010) beispielsweise erzählt von ihrer intensiven Beziehung mit dem Fotografen Robert Mapplethorpe Ende der 1960er- bis Anfang der 1970er-Jahre in New York.
Und noch immer ist sie live unterwegs. Ihre diesjährige Tournee führt sie durch die USA, Australien, Neuseeland und Europa – z.B . am 18. Juli auf den Domplatz in Arlesheim im Rahmen des STIMMEN Festivals – begleitet unter anderem von ihrem Sohn Jackson Smith.
Patti Smiths Konzerte zeichnen sich ausdurch eine intensive poetische Kraft. Sie braucht keine Posen,keine grosse Show, denn mit ihrer Aura füllt sie die Bühne komplett aus.
© Claudia Herzog
Urs Musfeld alias Musi
Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung. Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/